Die Feldollinger Gemeinderäte hatten
beantragt, dass die Gemeinde gegen den Polder Feldolling klagen soll.
Aus ihrer umfangreichen Stellungnahme zum Polder ergäben sich viele Anhaltspunkte,
wie etwa die Herausnahme des Tegernsee aus den Planungen oder natur-
und artenschutzrechtliche Gesichtspunkte.
Dazu erläuterte Rechtsanwalt Dr. Spieß
die rechtlichen Fakten. Es gälte zu prüfen: Kann die Gemeinde als
Klägerin gegen den Planfeststellungsbeschluss auftreten.
Als Erstes erklärte er die rechtliche
Bedeutung eines
Planfeststellungsbeschlusses:
Planfeststellungsbeschluss
- Wirkung wie ein Verwaltungsakt (wie ein Bauplan)
- Keine Rechtsnorm
- Kann enteignungsrechtliche Vorwirkung haben (wurde hier auch festgelegt)
- Beschränkung des Rechtsschutzes durch Präklusions- (Ausschluss-)wirkung
Dann erläuterte Dr. Spiess die
enteignungsrechtliche Vorwirkung nach § 71 WHG:
Normalerweise kann man nur gegen einen
Verwaltungsakt klagen, wenn eigenes Recht betroffen ist (auch eine
Gemeinde). Die enteignungsrechtliche Vorwirkung (d.h. bei dem
Vorhaben kann relativ leicht enteignet werden) bewirkt, dass ein
Betroffener auch wegen anderer Rechte klagen kann (etwa Naturschutz
etc.). Wenn nämlich relativ leicht enteignet werden kann, muss der
Planfeststellungsbeschluss schon rechtlich hieb- und stichfest sein.
Dieser Sachverhalt gilt allerdings für
die Gemeinde als öffentliche Person nicht. Diese darf nur bei
Verletzung eigener Rechte klagen.
Also Klagerecht wenn:
- eigene Rechte betroffenen
- Rechtswidrigkeit (bei eigenen Rechten)
Was
sind nun die eigenen Rechte der Gemeinde?
Eigenen Rechte der Gemeinde
- Kommunale Planungshoheit (Bebauungsplan/Flächennutzungsplan)
- Eigentum der Gemeinde
- Kommunale Einrichtungen und Aufgaben
- Selbstgestaltungsrecht
Dann ging Dr. Spiess einzeln auf die
oben aufgeführten Rechte der Gemeinde ein.
Polder Feldolling und eigene Rechte
der Gemeinde
Planungshoheit
Im Flächennutzungsplan sind im
Poldergebiet landwirtschaftliche Flächen ausgewiesen, welche
praktisch als Platzhalter gelten. Daher ist die Planungshoheit der
Gemeinde nicht eingeschränkt.
Eigentum
Im Gebiet befinden sich Wege und
Straßen der Gemeinde. Dazu gibt es allerdings die Zusicherung der
Wiederherstellung nach dem Polderbau und nach Hochwasserereignissen,
so dass hier kein Klagegrund gegeben ist.
Aufgaben
Es sind keine Pflichtaufgaben der
Gemeinde wie Kiga, Schule etc. betroffen.
Selbstgestaltungsrecht
Die Flächen sind weg, können also
nicht mehr gestaltet werden. Die Verletzung dieses Rechtes wurde etwa
bei Flughäfen teils anerkannt. Hier aber handelt es sich um zeitlich
begrenzte Beeinträchtigungen und es wird eine Abwägung mit dem
Hochwasserschutz getroffen werden. Daher wird es wohl keine
Anerkennung geben.
Zum Schluß kam Dr. Spiess zu seinem
Resumee:
Zusammenfassung
- Es gibt leider keine Klagegründe!
- Für einzelne Bürger kann eine Kommune nicht klagen: BVerwG: Gemeinde ist nicht „Sachverwalter ihrer Bürger“
- Gemeindliche Forderungen wurden z.T. berücksichtigt
- Ein Zusammenhang mit dem Tegernsee ist rechtlich irrelevant, da der Polder alleine wirksam ist, also kein direkter Zusammenhang besteht.
- Eine rückwirkende Klage wegen Artenschutzbelange geht nicht, da dieser nicht die Rechte und die Verantwortlichkeiten der Gemeinde betrifft.
Ein Klageerfolg der Gemeinde ist für
Dr. Spiess nicht prognostizierbar. Er stellte klar, er müsse der
Gemeinde von einer Klage abraten. Das Wasserwirtschaftsamt sei
außerdem amtlicher Sachverständiger, das gelte vor Gericht. Die
Einlassungen des Amtes müssten mit eigenem Gutachten widerlegt
werden. Und dazu komme, welches eigene Recht der Gemeinde ist
eigentlich betroffen?
Diskussion
Josef Hupfauer erläuterte dann einige
Punkte, die Planungsfehler vermuten lassen.
Dr. Spiess: Welches Recht der Gemeinde
ist verletzt? Das ist entscheidend.
Josef Kammerloher meinte, die Gemeinde
habe vielleicht Interesse, dass Bürger klagen, und könne eventuell
finanzielle Unterstützung leisten.
Dr. Spiess erläuterte, die
Ausgangslage sei für Privatpersonen natürlich besser, aber der
Erfolg sei dennoch fraglich. Die Kommune darf allerdings einzelne
Bürger bei Klagen nicht unterstützen, da das keine Aufgabe der
Gemeinde sei!
Bernhard Neumaier forderte, dass der
Tegernsee auch einbezogen werden müsse, da es aber keine rechtlichen
Möglichkeiten gäbe, hier einzuwirken, müsse dies politisch
geschehen.
Franz Bergmüller dankte Dr. Spiess für
den ausführlichen, klaren Vortrag.
Da aber die Tegernseebewirtschaftung
aus politischen Gründen nicht möglich ist, solle trotzdem aus
politischen Gründen geklagt werden, und auch Bürgerklagen
unterstützt werden.
Schließlich wurde doch recht deutlich
für die Klage entschieden mit 16:7 Stimmen.
Die Klage wurde also entgegen den
juritischen Gegebenheiten als rein politisches Signal beschlossen. Es
ist zu hoffen, dass die Botschaft auch richtig am Oberlauf der
Mangfall ankommt und nicht nur am Unterlauf als Versuch deren
Hochwasserschutz zu verhindern. Da die Klage aber wohl sogar
abgewiesen werden wird, dürfte das finanzielle Risiko der Gemeinde gering sein.
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