Montag, 2. Februar 2015

Klage gegen Polder



Die Feldollinger Gemeinderäte hatten beantragt, dass die Gemeinde gegen den Polder Feldolling klagen soll. Aus ihrer umfangreichen Stellungnahme zum Polder ergäben sich viele Anhaltspunkte, wie etwa die Herausnahme des Tegernsee aus den Planungen oder natur- und artenschutzrechtliche Gesichtspunkte.

Dazu erläuterte Rechtsanwalt Dr. Spieß die rechtlichen Fakten. Es gälte zu prüfen: Kann die Gemeinde als Klägerin gegen den Planfeststellungsbeschluss auftreten.
Als Erstes erklärte er die rechtliche Bedeutung eines Planfeststellungsbeschlusses:

Planfeststellungsbeschluss
  • Wirkung wie ein Verwaltungsakt (wie ein Bauplan)
  • Keine Rechtsnorm
  • Kann enteignungsrechtliche Vorwirkung haben (wurde hier auch festgelegt)
  • Beschränkung des Rechtsschutzes durch Präklusions- (Ausschluss-)wirkung
Dann erläuterte Dr. Spiess die enteignungsrechtliche Vorwirkung nach § 71 WHG:
Normalerweise kann man nur gegen einen Verwaltungsakt klagen, wenn eigenes Recht betroffen ist (auch eine Gemeinde). Die enteignungsrechtliche Vorwirkung (d.h. bei dem Vorhaben kann relativ leicht enteignet werden) bewirkt, dass ein Betroffener auch wegen anderer Rechte klagen kann (etwa Naturschutz etc.). Wenn nämlich relativ leicht enteignet werden kann, muss der Planfeststellungsbeschluss schon rechtlich hieb- und stichfest sein.
Dieser Sachverhalt gilt allerdings für die Gemeinde als öffentliche Person nicht. Diese darf nur bei Verletzung eigener Rechte klagen.

Also Klagerecht wenn:
  • eigene Rechte betroffenen
  • Rechtswidrigkeit (bei eigenen Rechten)

Was sind nun die eigenen Rechte der Gemeinde?

Eigenen Rechte der Gemeinde
  • Kommunale Planungshoheit (Bebauungsplan/Flächennutzungsplan)
  • Eigentum der Gemeinde
  • Kommunale Einrichtungen und Aufgaben
  • Selbstgestaltungsrecht
Dazu kommt als weitere Einschränkung, dass Rechtspositionen der Gemeinde nur abwägungserhebliche Belange sind. D.h. es wird immer abgewogen zwischen Hochwasserschutz und dem Gemeindebelang.
Dann ging Dr. Spiess einzeln auf die oben aufgeführten Rechte der Gemeinde ein.


Polder Feldolling und eigene Rechte der Gemeinde

Planungshoheit
Im Flächennutzungsplan sind im Poldergebiet landwirtschaftliche Flächen ausgewiesen, welche praktisch als Platzhalter gelten. Daher ist die Planungshoheit der Gemeinde nicht eingeschränkt.

Eigentum
Im Gebiet befinden sich Wege und Straßen der Gemeinde. Dazu gibt es allerdings die Zusicherung der Wiederherstellung nach dem Polderbau und nach Hochwasserereignissen, so dass hier kein Klagegrund gegeben ist.

Aufgaben
Es sind keine Pflichtaufgaben der Gemeinde wie Kiga, Schule etc. betroffen.

Selbstgestaltungsrecht
Die Flächen sind weg, können also nicht mehr gestaltet werden. Die Verletzung dieses Rechtes wurde etwa bei Flughäfen teils anerkannt. Hier aber handelt es sich um zeitlich begrenzte Beeinträchtigungen und es wird eine Abwägung mit dem Hochwasserschutz getroffen werden. Daher wird es wohl keine Anerkennung geben.

Zum Schluß kam Dr. Spiess zu seinem Resumee:

Zusammenfassung
  • Es gibt leider keine Klagegründe!
  • Für einzelne Bürger kann eine Kommune nicht klagen: BVerwG: Gemeinde ist nicht „Sachverwalter ihrer Bürger“
  • Gemeindliche Forderungen wurden z.T. berücksichtigt
  • Ein Zusammenhang mit dem Tegernsee ist rechtlich irrelevant, da der Polder alleine wirksam ist, also kein direkter Zusammenhang besteht.
  • Eine rückwirkende Klage wegen Artenschutzbelange geht nicht, da dieser nicht die Rechte und die Verantwortlichkeiten der Gemeinde betrifft.
Ein Klageerfolg der Gemeinde ist für Dr. Spiess nicht prognostizierbar. Er stellte klar, er müsse der Gemeinde von einer Klage abraten. Das Wasserwirtschaftsamt sei außerdem amtlicher Sachverständiger, das gelte vor Gericht. Die Einlassungen des Amtes müssten mit eigenem Gutachten widerlegt werden. Und dazu komme, welches eigene Recht der Gemeinde ist eigentlich betroffen?

Diskussion
Josef Hupfauer erläuterte dann einige Punkte, die Planungsfehler vermuten lassen.
Dr. Spiess: Welches Recht der Gemeinde ist verletzt? Das ist entscheidend.

Josef Kammerloher meinte, die Gemeinde habe vielleicht Interesse, dass Bürger klagen, und könne eventuell finanzielle Unterstützung leisten.
Dr. Spiess erläuterte, die Ausgangslage sei für Privatpersonen natürlich besser, aber der Erfolg sei dennoch fraglich. Die Kommune darf allerdings einzelne Bürger bei Klagen nicht unterstützen, da das keine Aufgabe der Gemeinde sei!

Bernhard Neumaier forderte, dass der Tegernsee auch einbezogen werden müsse, da es aber keine rechtlichen Möglichkeiten gäbe, hier einzuwirken, müsse dies politisch geschehen.

Franz Bergmüller dankte Dr. Spiess für den ausführlichen, klaren Vortrag.
Da aber die Tegernseebewirtschaftung aus politischen Gründen nicht möglich ist, solle trotzdem aus politischen Gründen geklagt werden, und auch Bürgerklagen unterstützt werden.

Schließlich wurde doch recht deutlich für die Klage entschieden mit 16:7 Stimmen.

Die Klage wurde also entgegen den juritischen Gegebenheiten als rein politisches Signal beschlossen. Es ist zu hoffen, dass die Botschaft auch richtig am Oberlauf der Mangfall ankommt und nicht nur am Unterlauf als Versuch deren Hochwasserschutz zu verhindern. Da die Klage aber wohl sogar abgewiesen werden wird, dürfte das finanzielle Risiko der Gemeinde gering sein.

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